6-Tage-Spiel

das 6 tage dauernde spiel des o.m. theaters soll das grösste und wichtigste fest der menschen werden (es ist ästhetisches ritual der existenzverherrlichung). es ist gleichzeitig volksfest und zu bewusstsein gebrachtes mysterium der existenz. das fest des o. m. theaters hat keinen anderen vorwand als die seinsmystische verherrlichung unseres hierseins. das fest treibt in richtung zu einem durch den menschen zu sich selbst kommenden sein.
das zum fest gewordene drama enthält sich in keiner weise des ursprünglich dramatischen der alten tragödie, im gegenteil, das drama wird zu seinem wesen geführt. das fest fordert eine bewusstheit, das bis tief zur annahme unserer tragischen wirklichkeit führt. die welt als ganzes soll angenommen werden mit allen extremen, ihren glücksmöglichkeiten, grässlichkeiten und der grausamkeit des todes. das scheitern, das leid, das tragische, das opfer, die sado-masochistische grausamkeit kann als plötzlich einbrechendes absurdes hindernis des schöpferischen angesehen werden, das schöpferische ist seinem wesen nach mit überwinden, abstossen und beseitigen von hindernissen verbunden. lebendige entfaltung, sich erweiternder lebensaufwand, stösst auf naturgegebene hindernisse und bringt leid und schmerz, fordert zum schmerzvermischten glück der überwindung auf. der mythos von tod und auferstehung bietet sich als gleichnis des schöpferischen an, die analytische technik des spieles verhilft uns dazu, uns totaler, rücksichtloser und umfänglicher zu begreifen bis tief hinein in die uns normalerweise unbekannte wirklichkeit unserer triebhaftigkeit. verdrängte bereiche werden aufgestöbert und ausgelebt. das bewusstsein schleicht und drängt zu den gründen der energetik, sensibelste augenblicke der registration von geniessender lust werden dem bewusstsein erschlossen. einem wesentlichen impuls, der die menscheit und das spezifische des dramas bestimmt, wird rechnung getragen. das bedürfnis nach abreaktion wird bewusst gemacht und erfüllt. das drama zu seinem wesen gekommen ist katharsis-therapie, ist der psychoanalyse vergleichbar, nur dass der analytische prozess, in diesem fall der dramatische prozess, einer ästhetischen verwertung zugänglich ist. es werden sich steigernde aktionen eingesetzt, die vorerst elementare, intensive sinnliche empfindungen fordern und später zu einem orgiastischen, sado-masochistischen ausreagieren der akteure und zuschauer führen. das assoziieren der klassischen psychoanalyse ersetzen im o.m. theater, die durch aktionen bewirkten sinnlichen sensationen, welche nach überwindung der zensuren enthemmen und berauschen, die aktionen mit rohem fleisch, feuchten leibwarmen gedärmen, blutigem kot, schlachtwarmem blut, lauem wasser usw. bewirken regressionen in richtung zur analsinnlichkeit. die freude am plantschen, spritzen, schütten, beschmieren, besudeln steigert sich zur freude am zerreissen des rohen fleisches, der freude am herumtrampeln auf den gedärmen. die dionysische zerreissungssituation zeigt sich (der zerrissene abreaktionsgott dionysos gelangt ins assoziationsfeld). das dramatische wühlt sich in die freude an der grausamkeit. das chaos, ein orgiastischer rausch, bricht über uns herein. die intensität des erlebens lässt eine mystik der agression und grausamkeit entstehen. der dramatische effekt wird als ästhetischer rausch des zuschauers bzw. spielteilnehmers begriffen. hölderlins auffassung des tragischen wird hier wichtig, wenn er sieht, dass im zorn die naturmacht und des menschen innerstes „grenzenlos eins“ wird und dass die darstellung des tragischen darauf hinausführt, zu übermitteln, „wie der gott und mensch sich paart“.
längst gestautes löst sich, verdrängtes wird anschaubar, der endpunkt der abreaktion, der sadomasochistische exzess wird erreicht. die innerhalb des spieles ästhetisch sich verwertende abreaktion macht die ursache von individuellen neurosen bewusst. die kollektiv-neurotische bedingtheit von sado-masochistischen opfermythen erklärt sich.
mit dem bewusstmachenden rausch der abreaktion (dem endpunkt der abreaktion) ist der leben gewordene dramatische effekt auf seinen höhepunkt gebracht, etwas, das der katastrophe des klassischen dramas gleich ist, ist erreicht. nur dass die katastrophe im fall des o.m. theaters durch die neutralisierte ästhetische bewusst- und anschaubarmachung des verdrängten, durch weitgehende katharsis von der tragischen ausweglosigkeit des antiken dramas befreit wird. der gesamte lebensablauf wird zum mystischen erlebnis verdichtet. die rauschhafte intensität des existierens muss sich auf alle daseinsgebiete über das alltägliche leben ausbreiten. eine heiter bewältigte welt soll anlass geben, dass wir uns ausgeglichen in alle genussmöglichkeiten versenken. alle sinne müssen sich intensivieren und sensiblisieren. die äusserste sublimierung des exzessiven ist die sich in uns ausbreitende aufwallung der stark gefühlten lebendigkeit zum heiteren rauch des zustandes der altruistischen liebe. liebe nicht als gebot begriffen, sondern als zustand, als hochzustand des existierens, als seinszustand. auf das ganze leben ausgebreitete seinsmystik ist liebe.

erste aufführung: 3.–9. August 1998
zweite aufführung: 30.–31. Juli 2022 (Tag 1 und 2), 28. Mai 2023 (Tag 3)